„Die Lebensrisiken, die jeden Bürger treffen können, sind in einem einheitlichen System abzusichern: Alter, Krankheit, Pflege."

Jürgen Borchert - Landessozialrichter

Familienpolitik

...in der Landespolitik

Hierzu bedarf es einer permanenten Fortschreibung des Familienberichtes, damit Veränderungen in den heterogenen Lebensbedingungen von Familien dargestellt werden. Nur so können zeitnah Veränderungen im Sinne einer präventiven Familienpolitik erkannt und situationsangemessene Handlungsstrategien entwickelt werden. Die Landesregierung hat aber quasi stillschweigend die Fortschreibung ausgesetzt und verweist auf einige Spezialberichte, in denen die Situation bestimmter Personengruppen analysiert wurde. Diese Berichte sind zweifellos von sehr guter Qualität und fokussieren die Problemlagen von spezifischen Familienformen in angemessener Form, aber dennoch können sie einen Familienbericht, der eine ganzheitliche Betrachtung der Situation von Familien vornimmt, nicht ersetzen. Weiterhin bergen die Spezialberichte die Gefahr, Familienpolitik als Notlagenpolitik zu sehen. Die LAGF fordert den Ausbau einer umfassenden präventiven Familienförderpolitik.

Durch die Einführung eines Landesfamilienplans erhoffen wir uns Transparenz über die familienrelevanten Leistungsbereiche. Dort müssen Aussagen über Bedarfsfeststellungsprozesse und entsprechende Zielvorgaben formuliert werden. Der Familienbericht ist dabei zwingende Voraussetzung für die Erstellung eines solchen Förder-planes, um entsprechende Angaben liefern zu können. Der Landesfamilienplan doku-mentiert die Prioritäten in der Landesfamilienpolitik und ist somit Gegenstand der familienpolitischen Diskussion und fördert den Dialog.

Familienverträglichkeitsprüfungen können aus unserer Sicht ein probates Mittel gegen die strukturelle Rücksichtslosigkeit gegenüber den Familien sein. Familienbelange müssen in allen Politikbereichen Berücksichtigung finden. Jedes Gesetzesvorhaben muss bezüglich der Auswirkungen auf Familien überprüft werden. Ferner erwarten wir bei der Zielformulierung und bei familienbezogenen Entschei-dungsprozessen eine Beteiligung und Mitsprache der Interessenvertreter von Familien.

Auch halten wir an unserer seit vielen Jahren bestehenden Forderung nach einem 3. Ausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz fest. So müsste gerade auf der Landesebene dafür Sorge getragen werden, dass die familienbezogenen Aufgabenfelder in den Kommunen umgesetzt werden (KJHG § 16 ff.).

... in der Kommunalpolitik

Die Diskussion um die neuen Steuerungsmodelle bieten außerdem gute und erfolgversprechende Ansatzpunkte für eine familienorientierte Gestaltung nicht nur der Kommunalpolitik. Wir erwarten, dass diese Diskussion von der Politik geführt wird. Wir sehen folgende Vorteile bei einem vorgenommenen Paradigmenwechsel in der Politiksteuerung: Statt durch hierarchische Eingriffe, Verfahrenskontrolle, Einzel-anweisungen können durch eine Demokratisierung von Leistungs- und Finanzzielen eine stärkere Einbindung der Bevölkerungsgruppen möglich gemacht werden. Politikziele werden dadurch transparent, schaffen Identität und führen tendenziell zu einem demokratisierten Gemeinwohl. Die neue Verwaltungssteuerung kann genutzt werden, um die traditionelle Binnenorientierung öffentlicher Verwaltung zu überwinden und über punktuelle Beteiligung von Kindern und Familien hinaus zu einer dauerhaften Beteiligung im Sinne einer Bürgerkommune zu gelangen. Gerade auf der kommunalen Ebene gibt es noch gravierende Unterschiede in der Qualität der Partizipation von Familien. Auch vor dem Hintergrund der gewollten Aktivierung von Selbsthilfepotentialen und des bürgerschaftlichen Engagements kommt dem Aufbau von innovativen Kommunikationsstrukturen besondere Bedeutung zu. Im Rahmen der Jugendhilfeplanung gibt es bewährte und innovative Konzepte der Beteiligung von Familien, Kindern und Jugendlichen, die aber noch verbessert werden können. Eine Umkehr von der sogenannten Regelsteuerung (Orientierung an rechtsorientierter Qualitätssicherung) hin zu einer Zielsteuerung (Zielbildung, Leitbildentwicklung und Ergebniskontrolle) kann zu einer aktiven Beteiligung an den Zielfindungsprozessen auf kommunaler Ebene führen.